Programm

Leoš Janáček Blaník-Ballade

Jan Novák Ignis pro Ioanne Palach

Bohuslav Martinů Doppelkonzert für zwei Streichorchester, Klavier und Pauken

Miloslav Kabeláč Mysterium der Zeit

Leoš Janáček Taras Bulba


Dirigent Stefan Veselka

Chorleiter Michal Vajda

Tschechischer Akademischer Chor

Philharmonie Brno


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Die Dramaturgie dieses Konzerts zielt auf die Zahl 8 ab, die in der neueren Geschichte unseres Landes immer wieder im Zusammenhang mit tiefgreifenden politischen Ereignissen auftaucht, welche das Schicksal konkreter Einzelpersonen wie auch der gesamten Nation veränderten. Es kann daher nicht verwundern, dass auch Komponisten in ihren Werken auf diese schicksalhaften Momente reagierten.

In Erwartung eines Endes des schreckensreichen Ersten Weltkriegs vollendete Leoš Janáček (1854–1928) im Jahr 1918 seine „slawische Rhapsodie“ nach Gogols Novelle Taras Bulba. Janáček hatte mit diesem Werk bereits 1915 begonnen, doch die drohenden Repressionen gegen jeden, der seine Sympathie für das verfeindete Russland kundtat, ließen ihn von der Fortsetzung seiner Arbeit an dem Stück absehen. Er wandte sich dieser Komposition erst wieder 1918 zu, als er sie nach einer vollständigen Überarbeitung fertigstellte. Zu ihrer Aufführung kam es erst 1921, als sie vom Orchester des Brünner Nationaltheaters unter seinem Dirigenten František Neumann einstudiert wurde. Taras Bulba ist ein Beleg für den von Janáček gepflegten Panslawismus und seine Russophilie.

Die Ausrufung der Tschechoslowakischen Republik lieferte den Anlass für Janáčeks symphonische Dichtung Blaník-Ballade. Er ließ sich dabei durch das gleichnamige Gedicht von Jaroslav Vrchlický aus dessen Sammlung Bauernballaden inspirieren. Wann genau dieses Werk mit dem Motiv der schlafenden Ritter aus dem Berg Blaník, die dem tschechischen Volk in seinen schwersten Momenten zur Hilfe eilen werden, entstand, ist nicht bekannt, doch könnte es im Herbst 1919 gewesen sein. Seine Uraufführung erlebte das Werk am 21. März 1920 im Brünner Stadttheater, dessen Opernorchester von František Neumann geleitet wurde. Dieses Konzert anlässlich des siebzigsten Geburtstags des Staatspräsidenten Tomáš Garrigue Masaryk hatte für Janáček leider ein bitteres Nachspiel. Der Komponist hatte eine Ansprache vorbereitet, in der er sein neues Werk in einen Zusammenhang mit Masaryks Tschechischer Frage brachte, doch kurz vor dem Konzert erfuhr er, dass das aus seiner Organistenschule hervorgegangene Brünner Konservatorium zwar dank seiner Bemühungen endlich verstaatlicht werden würde, man zum Leiter der Schule jedoch Jan Kunc ernannt hatte. Janáček verließ das Konzert daher unmittelbar nach der Premiere seines Werks. Wie schon zuvor Die Ausflüge des Herrn Brouček, war auch die Blaník-Ballade dem Präsidenten gewidmet.

Das Schicksal von Bohuslav Martinů (1890–1959) ist eng mit dem tragischen Jahr 1938 verbunden, in dem der Komponist zum letzten Mal sein Heimatland besuchte. Im März hatte er der Einstudierung seiner Oper Julietta am Prager Nationaltheater beigewohnt, den Sommer hatte er in seinem Geburtsort Polička verbracht. Überall war die beklemmende Atmosphäre in Anbetracht des drohenden deutschen Einfalls zu spüren gewesen. Im September fuhr Martinů auf Einladung des Ehepaars Sacher in die Schweiz, wo er mit der Arbeit an seinem Doppelkonzert begann. Später erinnerte er sich mit folgenden Worten an diese dramatischen Tage: „Hier, in dieser Einsamkeit, an der Grenze dreier Länder, habe ich München erlebt und ein Werk vollendet, das die dramatische Spur und die Atmosphäre jener Tage trägt, des ersten warnenden Sturms, der durch Europa jagte.“ Das Konzert für zwei Streichorchester, Klavier und Pauken zählt zweifellos zu den grundlegendsten Werken Bohuslav Martinůs und ist auch im Ausland eines seiner meistgespielten.

Nicht weniger schwer war für die Tschechoslowakei das Jahr 1968, als das Land am 21. August durch die Armeen der Staaten des Warschauer Pakts besetzt wurde. Auf dieses Ereignis reagierten in der Folge zahlreiche Komponisten – Marek Kopelent, Petr Eben, Miloslav Kabeláč oder Karel Husa. Die Kantate Ignis pro Ioanne Palach von Jan Novák (1921–1984), einem Schüler Bohuslav Martinůs, entstand unmittelbar nach der aufwühlenden Tat des Studenten Jan Palach, der sich am 16. Januar 1969 aus Protest gegen die politische Situation im Land selbst verbrannte. Bald reagierten darauf auch weitere, vor allem Brünner Komponisten wie Josef Berg, Alois Piňos oder Evžen Zámečník. Den lateinischen Text seiner Kantate verfasste Jan Novák als versierter Altsprachler selbst. Das sehr emotionale, aufrührende Stück erklang erstmals am 15. April 1969 im Prager Rudolfinum.

Zum Abschluss des Konzerts erklingt das wohl bekannteste symphonische Werk von Miloslav Kabeláč (1908–1979), Mysterium der Zeit. Kabeláč gehört zweifellos zu den bedeutendsten tschechischen Komponisten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und dies auch im internationalen Kontext. An seinen Werken arbeitete er sorgfältig und ausdauernd, was auch für das Mysterium der Zeit gilt, dem er vier Jahre widmete. Er vollendete die Komposition im Jahr 1957, als sie von der Tschechischen Philharmonie unter ihrem Dirigenten Karel Ančerl uraufgeführt wurde. Kabeláčs Freund Eduard Herzog schrieb über das Werk: „Nachdenken über das kosmische Geschehen, über seine unermesslichen Sphären und über die feste Gesetzmäßigkeit, die dort herrscht. […] Der Autor wollte seine tiefe emotionale Bewegung durch diesen Anblick ausdrücken und die Überzeugung, dass jede scheinbare Zufälligkeit durch eine strenge und unerschütterliche Ordnung bestimmt wird…“

Jiří Zahrádka