Programm

Josef Suk Ins neue Leben, Festmarsch der Sokolturner

Leoš Janáček Amarus, Kantate für Soli, gemischten Chor und Orchester

Die Schenke in den Bergen, Kantate für Tenor, Männerchor und Orchester

Sinfonietta



Dirigent Gabriela Tardonová

Orchester und Chor der Janáček-Oper des Nationaltheaters Brno


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Das Orchesterkonzert präsentiert zwei Werke, die durch das Phänomen des tschechischen Turnerbunds Sokol inspiriert worden waren, sowie zwei selten aufgeführte Kantatenwerke Janáčeks. Es wird der ausgezeichnete Chor der Janáček-Oper des Nationaltheaters Brno zusammen mit dem Opernorchester zu erleben sein, welches die Werke Janáčeks schon viele Male mit großem Erfolg aufgeführt hat, darunter manche sogar als Premieren noch zu Lebzeiten des Komponisten.
Der Festmarsch der Sokolturner Ins neue Leben von Josef Suk ist eng mit der Tradition dieses tschechischen Turnerbunds verbunden, die bis in die Sechzigerjahre des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Obgleich die Begründer dieser bedeutenden Organisation von Beginn an um ihre politische Neutralität bemüht waren, wurde der Bund später unausweichlich zu einem Element des nationalen Emanzipationsprozesses der tschechischsprachigen Bevölkerung. Sein politischer Einfluss erreichte seinen Höhepunkt zum Zeitpunkt der Gründung der Tschechoslowakischen Republik und in den darauffolgenden zwei Jahrzehnten. Unter den Mitgliedern des Sokol fanden sich zahlreiche Persönlichkeiten, die die Elite der tschechischen Nation bildeten – so etwa auch Janáček, Suk oder Tomáš Garrigue Masaryk. Josef Suk (1874 –1935) spielte bereits vor dem Ersten Weltkrieg mit dem Gedanken eines Marsches für die feierlichen Versammlungen des Sokol, begann die Arbeit an dem Werk jedoch erst 1919 mit einer Skizze des Marsches. Im Jahr 1920 wurde anlässlich des VII. Landesturnfestes des Sokol, des ersten in der neuen Republik, ein Kompositionswettbewerb für einen Marsch ausgeschrieben, der beim Einmarsch der Turner ins Stadion gespielt werden sollte. Suk reichte sein Werk unter einem Pseudonym ein und gewann den Wettbewerb. Wenngleich sein Marsch bei den Funktionären des Bunds für Verlegenheit sorgte, akzeptierten sie das Stück schlussendlich. Suk fügte anschließend noch Fanfaren hinzu und instrumentierte das ursprünglich als vierhändiges Klavierwerk geschriebene Stück für ein Symphonieorchester. Der Marsch fand unerwarteten Anklang, so dass der Dichter Petr Křička zusammen mit seinem Bruder, dem Komponisten Jaroslav Křička, in den Jahren 1930 und 1934 noch einen Text hinzufügte, damit die beliebte Melodie auch gesungen werden konnte. Diese von Josef Suk gutgeheißene Version geriet später in Vergessenheit, so dass sich im Rahmen des Festivalkonzerts eine sehr seltene Gelegenheit bieten wird, sie einmal zu hören.

Auch die Sinfonietta von Leoš Janáček (1854–1928) ist eng mit dem Sokol verbunden. Anfang des Jahres 1926 hatte der Komponist von der Redaktion der Tageszeitung Lidové noviny eine Anfrage erhalten, ob er nicht „einige Noten“ als Begrüßungsmelodie für das bevorstehende VIII. Landesturnfest des Sokol in Prag schreiben könne. Janáček entschied sich für Fanfaren, wobei ihm ein zwei Jahre zurückliegendes Erlebnis als Inspiration diente. Im Jahr 1924 hatte er nach der nervenaufreibenden Teilnahme in der Prüfungskommission am Prager Konservatorium „drei schattenlose Tage“ bei der Familie seiner Freundin und Muße Kamila Stösslová verbracht. Hier hatten sie beim nachmittäglichen Spaziergang das Promenadenkonzert einer Militär-Blaskapelle im Palacký-Park besucht, wo sich Janáček ein Fanfarenmotiv in seinem Tagebuch notiert hatte. Die Militärkapelle des 11. Infanterieregiments hatte in ihrem Programm Fanfarenmärsche gehabt, bei denen unter der Bewunderung des Publikums „ein Solospieler oder eine Gruppe von Spielern beim Blasen des größeren Effekts halber aufstanden und ihre fahnengeschmückten Instrumente in die Höhe hoben.“ Diese angenehme Erinnerung kam dem Komponisten offenbar in den Sinn, als er zwei Jahre später die Fanfaren für das Turnerfest zu skizzieren begann. Die Arbeit en dem Stück begann er im März 1926, und aus den Fanfaren wurde schließlich ein komplettes symphonisches Werk, das er wegen der Beteiligung einer Militärkapelle als Militär-Sinfonietta bezeichnete. Das Stück wurde den Veranstaltern des Turnerfestes angeboten und anschließend in das Programm eines Konzerts der Tschechischen Philharmonie für die Sokol-Jugend aufgenommen. Erstmals erklang das neue Stück bei einem Konzert am 26. Juni 1926, welches auch im Rundfunk übertragen wurde. Neben den Musikern der Tschechischen Philharmonie nahmen auch Mitglieder der Prager Garnisonskapelle teil, und die Resonanz auf das Konzert war gewaltig. Durch ein Versehen wurde die Militär-Sinfonietta allerdings unter dem Namen Turner-Sinfonietta angekündigt, den Janáček jedoch klar ablehnte. Kurz darauf erschienen die Fanfaren aus der Militär-Sinfonietta in der Tageszeitung Lidové noviny als Grußworte und erklangen auch aus der Teynkirche anlässlich des „Umzugs der Gäste und der Sokolturner durch Prag“. Die erste gedruckte Ausgabe von Janáčeks populärer Komposition erschien 1927 in der Universal Edition, wo sie nur noch den Namen Sinfonietta trug, wie wir ihn heute kennen.

„Amarus? Das Königinkloster in Altbrünn, seine düsteren Gänge, die alte Kirche, weite Gärten, mein armes darin verbrachtes Jünglingsleben, Einsamkeit und Wehmut, all dies war Amarus so nah.“ In Jaroslav Vrchlickýs Gedicht Amarus fand Janáček geradezu überraschende Parallelen zu seinem eigenen Lebensschicksal – zu seiner Kindheit im Kloster ohne Mutter und ohne Liebe. Die lyrische Kantate für Soli, gemischten Chor und Orchester vollendete Janáček zu Beginn des Jahres 1897. Die Partitur sandte er anschließend zur Begutachtung seinem Freund Antonín Dvořák, und obgleich sich Dvořák in seiner Antwort entschuldigte, er habe dem Werk nicht viel Zeit widmen können, fand er zu Amarus doch lobende Worte und erkannte darin „einen entschiedenen Fortschritt in jeder Hinsicht“. Mit der Kantate Amarus erreicht die romantische Linie in Janáčeks künstlerischer Entwicklung, an deren Beginn seine erste Oper Šárka (1887–88) gestanden hatte, ihren Höhepunkt und gleichzeitig ihren Abschluss. Andererseits nimmt Amarus jedoch auch Janáčeks neuen Musikstil vorweg, der seine volle Blüte in Jenůfa erreichte. Erstmalig in voller Länge aufgeführt wurde die Kantate am 25. Februar 1912 durch Ferdinand Vach und den Mährischen gemischten Lehrerchor.

Die Kantate Die Schenke in den Bergen für Tenor, Männerchor und Orchester nach Worten des Dichters M. Kurt (eigentlich Maxmilián Kunert) entstand im Auftrag von Vilém Steinman, der als Leiter des Chores Orlice aus Prostějov 1910 bei Janáček angefragt hatte, ob dieser nicht ein Werk zum fünfzigsten Gründungsjubiläum des Chores komponieren könne. Janáček arbeitete 1911 an dem Stück, zu seiner Uraufführung kam es am 23. März 1912 in einer Einstudierung von Vilém Steinman, des Chores Orlice, Instrumentalisten des 8. Brünner Armeeregiments sowie des Orchesters des Brünner Nationaltheaters.

Jiří Zahrádka