Programm

Studenten der Musikfakultät der Janáček-Akademie

Leoš Janáček Märchen, Violinsonate, 1. X. 1905 („Von der Straße“)


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Bei der Matinee in der authentischen Umgebung von Janáčeks Wohnhaus werden drei wichtige Werke des Komponisten durch junge Interpreten von der Brünner Janáček-Akademie aufgeführt. Diese bedeutende Musikhochschule konnte im Jahr 2017 den siebzigsten Jahrestag ihrer Gründung feiern.

Das Märchen für Violoncello und Klavier ist ein eindrucksvoller Beleg für Janáčeks Russophilie. Beim Komponieren dieses Stücks ließ er sich durch Wassili Andrejewitsch Schukowskis episches Gedicht Märchen inspirieren – ein „Märchen vom Zaren Berendei, seinem Sohn Iwan Zarewitsch, von den Listen des unsterblichen Koschtschei und von der großen Weisheit der Maria Zarewna, der Tochter des Koschtschei“. Das ursprünglich dreisätzige Werk komponierte Janáček zu Beginn des Jahres 1910, und noch vor der Premiere an der Brünner Organistenschule am 13. März 1910 gab er bekannt, dass es sich nur um einen Teil einer geplanten umfangreicheren Komposition handle. Im Jahr 1912 arbeitete er das Märchen zu einem viersätzigen und ein Jahre später erneut zu einem dreisätzigen Stück um. Seine endgültige Gestalt erhielt das Werk 1923 im Rahmen der Vorbereitungen für die gedruckte Ausgabe. Das Märchen vom Zaren, der sich durch ein unüberlegtes Versprechen um sein Glück brachte, gehört zu den reizvollsten Cellowerken des 20. Jahrhunderts.

Die Sonate für Violine und Klavier entstand in enger zeitlicher Nachbarschaft zum Märchen. Janáček arbeitete an dem Stück in den Jahren 1914–15 unter dem Eindruck der damaligen politischen Lage, wie die folgende Erinnerung belegt: „Die Violinsonate schrieb ich zu Beginn des Krieges im Jahr 1914, als wir die Russen schon in Mähren erwarteten.“ Als erster Teil entstand die ursprünglich wohl als selbständiges Stück konzipierte Ballade, die weiteren Sätze kamen erst 1915 hinzu. Nachdem der Komponist das Werk erst 1920 noch einmal überarbeitet hatte, erlebte es seine Uraufführung am 24. April 1922 in Brno bei einem vom Klub junger mährischer Komponisten veranstalteten Musikabend mit neuen Kompositionen aus Mähren.

Dritter Titel der Matinee ist die Klavierkomposition 1. X. 1905 („Von der Straße“). Dieses Werk entstand spontan als Reaktion auf eine Tragödie, die sich während der Demonstrationen für eine tschechische Universität in Brünn ereignet hatte. Nach jahrelangen Bemühungen um den Aufbau eines tschechischen Hochschulwesens in der Stadt hatte die Regierung entschieden, dass die Bürger Brünns selbst über eine tschechische Universität abstimmen sollten. Die überwiegend deutschsprachigen Einwohner der Stadt befürchteten jedoch einen größeren tschechischen Einfluss, so dass ihre Repräsentanten für den 1. Oktober 1905 einen sog. Volkstag einberiefen, bei dem deutsche Vereine und Institutionen aus der ganzen weiteren Umgebung ihren Widerstand gegen die Gründung einer tschechischen Universität in Brünn kundtun sollten. Als Reaktion darauf organisierten die tschechischen Einwohner der Stadt eine große antideutsche Demonstration. Die beiden Lager lieferten sich Straßenkämpfe, gegen die die Gendarmerie und schließlich auch die Armee einschritt. Bei einem dieser Einsätze wurde in der Nähe des Gemeinschaftshauses der junge tschechische Arbeiter František Pavlík getötet. Unter dem Eindruck dieses tragischen Ereignisses schrieb Janáček sein ursprünglich dreisätziges Werk Von der Straße I. X. 1905. Unmittelbar vor der Brünner Uraufführung am 27. Januar 1906 verbrannte er den letzten Satz, und nach einer weiteren Aufführung in Prag warf er gar das gesamte Manuskript in die Moldau. Glücklicherweise bewahrte die erste Interpretin des Stückes, die Pianistin Ludmila Tučková, ihre Abschrift der ursprünglichen Version auf, was sie erst 1924 bekannt machte. So ist dieses von seinem Schöpfer wie auch der Musikwelt für viele Jahre vergessene Klavierwerk der Nachwelt erhalten geblieben.

Jiří Zahrádka